Burkina Faso. Wenn Fische vom Himmel fallen
"40 Grad Celsius und kein Regen", so beschreibt Andreas Melcher (Universität für Bodenkultur, Wien) das typische Wetter in Burkina Faso. Bereits seit mehreren Jahren forscht der Fischökologe im Rahmen des APPEAR-Projekts SUSFISH in Burkina Faso. Das Binnenland liegt Großteils in der Sahelzone und wird immer wieder von Trockenheit und Dürre heimgesucht. In den letzten Jahrzehnten wurden landesweit Wasserreservoirs gebaut, die eine wichtige Lebensgrundlage für die Bevölkerung bieten und für Landwirtschaft, Viehzucht und Fischerei genutzt werden. Jedoch hat sich auch seit den 1960er Jahren die Anzahl der Bevölkerung von vier Millionen auf aktuell knapp 20 Millionen drastisch erhöht. Der zunehmende Wasserverbrauch, die starke Belastung der Gewässer durch Landwirtschaft und Bergbau sowie schlechtes Management führen zudem zu einer immer stärkeren Verschmutzung und auch zur Abnahme der ökologischen Vielfalt in den Reservoirs. Die für die Ernährungssicherheit in Burkina Faso wichtigen Fische reagieren sehr sensibel auf anthropogene Eingriffe und sind daher besonders stark gefährdet. Burkina Faso gilt zudem als eines der ärmsten Länder auf der Welt. Laut dem Human Development Index (HDI) lag es 2015 nur auf Platz 185 von 188 Ländern. APPEAR, das Hochschulkooperationsprogramm der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (OEZA), verfolgt das Ziel durch praxisrelevante und zielgruppenorientierte Forschung die Lebensbedingungen der Menschen in den Entwicklungsländern zu verbessern. Genau hier setzt das Projekt SUFSISH an. Denn die Förderung der nachhaltigen Bewirtschaftung von Wasser- und Fischressourcen soll langfristig die Ernährungssicherheit in Burkina Faso erhöhen.
Als besondere Stärke von SUSFISH hob Andreas Melcher die transdisziplinäre Zusammensetzung des Teams hervor, die es ermöglicht die verschiedenen Perspektiven aus den Natur- und Sozialwissenschaften sowie aus Politik und Praxis zu integrieren. In der ersten Projektphase wurden bereits umfangreiche Beprobungen der Gewässer vorgenommen. Mittels unterschiedlicher Fangmethoden (Wurfnetze, Langleinen, Elektrofischerei) wurden mehr als 45.000 Fische gefangen und identifiziert. Die Informationen über Taxonomie und geographische Verbreitung der Fischarten wurden in einer nationalen Datenbank an der Universität in Ouagadougou verfügbar gemacht. Gemeinsam mit IUCN, dem International Union for Conservation of Nature of West Africa wurde eine offizielle Rote Liste von Fischarten erarbeitet und ein Referenzsystem für bestimmte Standorte definiert. Zudem wurden standardisierte Bewertungsmethoden zur Gewässerqualität mittels Bioindikatoren – genauer gesagt Fische und wirbellose Tiere wie Krebse, Muschel, Schnecken – entwickelt. Das neu generierte Wissen soll Entscheidungsträger/innen dabei helfen das Fisch- und Gewässermanagement zu verbessern, aber auch das Bewusstsein in der lokalen Bevölkerung für diese Problematik zu schärfen. Denn in Burkina Faso ist teilweise immer noch der (Aber-)glaube verbreitet, dass Fische vom Himmel fallen. Fische können im Laufe ihrer Entwicklung verschiedene Lebensräume besiedeln, d. h. sie können in Gewässern auftauchen und auch wieder verschwinden. Die Vorstellung, dass Fische einfach so vom Himmel fallen, bedingt oft einen wenig nachhaltigen Umgang mit Ressourcen.
Andreas Melcher betonte, dass es besonders wichtig ist, neben den ökologischen Faktoren, auch die sozialen und wirtschaftlichen Aspekte rund um die Bewirtschaftung der Wasser- und Fischressourcen zu untersuchen. In Burkina Faso gibt es neben dem demokratischen Regierungssystem (republican government) auch noch das traditionelle Regierungssystem (traditional government), damit sind die Entscheidungsstrukturen vor allem auf der dörflichen Ebene gemeint. In der Praxis bedeutet das, dass nicht immer klar ist, wer welche Entscheidung trifft bzw. wer welche Entscheidung befolgt. Wenn Veränderungsprozesse in Gang gesetzt werden sollen, ist daher ein tiefgehendes Verständnis für die komplexen sozialen Strukturen nötig. Darüber hinaus versucht SUSFISH eine Brücke zu schlagen zwischen traditionellem und wissenschaftlichem Wissen.
Auf die Frage was er persönlich aus dieser Forschungspartnerschaft mit den Kolleg/innen in Burkina Faso gelernt habe antwortete Andreas Melcher, dass Respekt vor unterschiedlichen Kulturen und Wissenssystemen sowie Geduld, Vertrauen und der Fokus auf die positiven Aspekte in der Zusammenarbeit zentral seien.
Als weiteren wichtigen Punkt führte Andreas Melcher noch die Ausbildung von jungen Wissenschaftler/innen sowie Capacity Building an den beteiligten Hochschulen an. Im Rahmen von SUSFISH haben zwei Personen aus Burkina Faso an der Universität für Bodenkultur (BOKU) ihr Doktorat abgeschlossen, vor Ort wurden insgesamt 26 Masterarbeiten betreut und vier BOKU-Masterstudierende führten ihre Feldforschung in Westafrika durch. SUSFISH basiert auf den langjährigen Erfahrungen von Raymond Ouedraogo, die er als Mitarbeiter im Fischereiministerium in Burkina Faso gesammelt hatte, sowie auf den Ergebnissen seines Doktorats an der BOKU. Raymond Ouedraogo initiierte eine APPEAR-Anbahnungsfinanzierung (Preparatory Funding), daraus entstand eine dreijährige Partnerschaft (Academic Partnership) und glücklicherweise war auch die letzte Projekteinreichung (Advanced Academic Partnership) erfolgreich. SUSFISH-plus hat daher noch bis 2020 die Möglichkeit einen entscheidenden Beitrag zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Fischressourcen und zur Verbesserung der Lebensbedingungen der lokalen Bevölkerung in Burkina Faso zu leisten.
Diese Veranstaltung wurde in Kooperation mit dem Naturhistorischen Museum Wien durchgeführt.