Brass Music, verzaubernde Oak Trees, farbenfrohe Häuser, Paraden zu jedem erdenklichen Anlass und eine unfassbar reiche und geschichtsträchtige Kultur – das alles und noch so viel mehr ist New Orleans!
In den zehn Monaten, die ich in dieser Stadt verbringen durfte, konnte ich in diese außergewöhnliche Lebensweise eintauchen. Zwar mag sich die “entschleunigte” Philosophie der New Orleaner für Österreicher:innen zunächst etwas gewöhnungsbedürftig erscheinen, doch da die Stadt zugleich von einer Herzlichkeit geprägt ist, die ihresgleichen sucht, wird es nie lange dauern, bis man sich in New Orleans wie zuhause fühlt. Mein Auslandsaufenthalt, der mir auch die Gelegenheit bot, die Ost- und Westküste der USA zu bereisen, brachte unzählige prägende Eindrücke von diesem Land, das um so vieles facettenreicher ist, als ich es je für möglich gehalten hatte. Durch mein Fellowship habe ich ein differenzierteres Bild von einer Gesellschaft gewonnen, über die wir in Europa bisweilen vorschnell unsere Urteile treffen, und sehe nach meiner Rückkehr auch das Leben in Österreich mit anderen Augen.
Dass ich überhaupt auf dieses großartige Stipendium aufmerksam wurde, ist der Austrian Studies Association zu verdanken. Für deren Konferenz, die im Frühjahr 2022 ausgerechnet in New Orleans ausgerichtet wurde, trat ich zum ersten Mal überhaupt eine Reise über den Atlantik an – und hielt es kaum für möglich, mit wie vielen faszinierenden Eindrücken und wertvollen Impulsen ich nach diesen wenigen Tagen zurückkehrte. Weil ich auf der Tagung erfahren hatte, dass für PhD-Studierende die Möglichkeit besteht, ein ganzes Jahr an einem Österreich-Zentrum im Ausland zu verbringen, zögerte ich nicht lange: Nicht nur, weil mich die Stadt in ihren Bann gezogen hatte, sondern vor allem aufgrund des inhaltlichen Schwerpunkts auf „Contemporary“ Austrian Studies bewarb ich mich für das Stipendium in New Orleans und war überglücklich, dieses zugesagt zu bekommen.
Österreich-Zentrum New Orleans
Für das Abfassen meiner Dissertation, die sich mit der österreichischer Wissenschaftsgeschichte (speziell den Forschungsnarrativen in der österreichischen Germanistik seit 1945) befasst, boten sich am Center Austria ideale Bedingungen. Ich kam mit dem Schreiben entscheidend voran und lernte durch die Erfahrungen mit dem angloamerikanischen Wissenschaftsbetrieb viel Neues über die Anforderungen wissenschaftlicher Texte. Dies prägte auch die Sichtweise auf meine eigene Forschung, weshalb ich mich u. a. entschied, meine Dissertation theoretisch an der „Intellectual History“ auszurichten, die mir vor dem USA-Aufenthalt noch überhaupt kein Begriff gewesen war. Von der Expertise am Center Austria profitierte ich außerdem in Bezug auf weiterführende Forschungsinteressen (beispielsweise das „Nation Building“ der Zweiten Österreichischen Republik). Das Fachwissen von Günter Bischof sowie die Impulse, die ich von ihm erhielt, erwiesen sich stets als Bereicherung. Seine bemerkenswerte Sammlung an „Austriaca“ bot mir Gelegenheit, mich in verschiedene Facetten der österreichischen Zeitgeschichte zu vertiefen.
Mein USA-Aufenthalt war somit auch im Hinblick auf Zukunftspläne und potenzielle Forschungsvorhaben auf ganzer Linie gewinnbringend. Einige Konferenzteilnahmen im Laufe des Studienjahres ermöglichten es mir, Kontakte zu Forscher:innen knüpfen, deren Arbeit auf ähnlichen Themenfeldern angesiedelt ist. Aus den Rückmeldungen zu meinen Vorträgen, insbesondere auf der Tagung der Austrian Studies Association in Pennsylvania und am jährlichen Meeting der Austrian Centers in Kalifornien, konnte ich überaus wertvolle Anregungen beziehen. Die Vielzahl an bereichernden Begegnungen und das mir im „Austrian-Studies“-Umfeld entgegengebrachte Wohlwollen haben mich darin bestärkt, in diesem Bereich aktiv zu bleiben und weiterhin mit Forschungsbeiträgen und Conference Papers (z. B. für die Tagung German Studies Association in Montréal im Oktober 2023) daran zu partizipieren.
Die Mitarbeit an der Publikation „Contemporary Austrian Studies“, die vom Center Austria jährlich herausgegeben wird, ermöglichte mir ebenfalls wertvolle Einblicke. Als „Assistant to the Editor“ koordinierte ich die Einreichungen, kontrollierte Format- und Zitationsrichtlinien und fungierte als Ansprechpartnerin für die Anfragen der Beiträger:innen. Durch die Zusammenarbeit mit Herausgeber Marc Landry konnte ich alle auf dem Weg zur Edition eines Sammelbandes notwendigen Abläufe kennenlernen.
Transatlantische Beziehungen und zahlreiche Austauschprogramme
Doch das Center Austria ist nicht nur ein Ort, an dem über Geschichte geschrieben wird, sondern auch einer, der selbst Geschichten schreibt: Das Center verfügt über eine mehr als 25-jährige Tradition von Austauschprogrammen, die jedes Jahr aufs Neue Studierende und Forschende aus Österreich in den tiefen amerikanischen Süden führen. Durch Günter Bischof wurden transatlantische Beziehungen jahrzehntelang mit Leben erfüllt und Marc Landry setzt diese Aufgabe als neuer Direktor hervorragend fort. Gertraud Grießner hat seit der Gründung des Centers unzählige junge Menschen durch die ohne Zweifel unvergleichliche New Orleaner Erfahrung begleitet und auch in meinem Fall einen maßgeblichen Beitrag dazu geleistet, dass ich mit so vielen positiven Erinnerungen auf diese Zeit zurückblicke. Die Tatsache, dass es ausgerechnet in New Orleans ein Center Austria gibt, ermöglicht einen einzigartigen „Culture Clash“ im besten Sinne des Wortes: Denn wie wäre es sonst möglich, dass eine bunte Ansammlung von Menschen, die in den Bergen aufgewachsen sind, sich im tiefen amerikanischen Süden niederlässt und dort tagtäglich unter Beweis stellt, wie wertvoll Perspektivenwechsel und kultureller Austausch sind – gerade im akademischen Bereich.
Der New Orleans Way of Life an sich ist bereits ein wahres Erlebnis, für das es sich lohnt, das Abenteuer eines mehrmonatigen Aufenthalts zu wagen, doch es waren auch die Menschen im Umfeld des Center Austria und die Selbstverständlichkeit, mit der sie über den Tellerrand blicken, die ihn für mich zur unvergesslichen Erfahrung gemacht haben.
CV:
Katja Maierhofer schloss 2017 das Lehramtsstudium der Fächer Deutsch, Mathematik und Latein ab und begann im Jahr 2019 ihr Doktoratsstudium im Bereich „Deutsche Philologie“ an der Universität Wien, berufsbegleitend zur Tätigkeit als AHS-Lehrerin. Im Anschluss an eine Stelle als ÖAD-Lektorin am ELTE Universitätscampus in Szombathely (Ungarn) trat sie im Herbst 2022 das Doctoral Fellowship an der University of New Orleans (die Fellowship läuft jetzt unter dem Namen "Marietta Blau-Stipendium für New Orleans") an. Ihre Dissertation konnte sie im Frühjahr 2024 fertigstellen.
Einige Aktivitäten, an denen Katja Maierhofer während ihres Fellowships 2022/23 beteiligt war, sind unter „News & Events“ auf der Homepage des Center Austria zu finden. Ein Blick auf https://www.centeraustria.org/ lohnt sich auch, um einen Einblick in die vielfältigen Projekte des Centers zu erhalten.