Motivation und Wahl der Forschungsinstitutionen
Das Marietta Blau-Stipendium ermöglichte mir, meine Dissertation über Österreich hinaus länderübergreifend umzusetzen und die Mobilitätsanforderungen des Arbeitskontexts Wissenschaft mit dem Kontext Familie zu vereinbaren. Beide Standorte boten exzellente Bedingungen für Forschung und Vernetzung. Zürich mit seinem einzigartigen Doppellehrstuhl für Islamwissenschaft und Gender Studies eröffnete mir wertvolle Einblicke in die Bearbeitung interdisziplinärer Fragestellungen, während Freiburg durch seine breite thematische Ausrichtung und wissenschaftliche Vielstimmigkeit besonders bereichernd war.
Hauptziele und Ergebnisse meines Aufenthalts
Ziel meines Aufenthalts war es, zu untersuchen, wie Geschlechterverhältnisse und Gender als Wissenskategorie im Fachbereich der Islamwissenschaft an deutschsprachigen Universitäten reflektiert werden. Durch die Einbindung in interdisziplinäre Konferenzen, Workshops, einem internationalen Graduiertenkurs und interuniversitäre Doktoratskolloquien konnte ich mein Forschungsnetzwerk ausweiten und ExpertInnen- Interviews an mehreren Standorten durchführen, was meine Materialbasis und die Repräsentativität meiner Forschungsarbeit erheblich stärkte. Diese Vernetzung und die Qualität der akademischen Debatten in Zürich und Freiburg bereicherten mein Projekt und ermöglichten es mir, meine Forschung an den Gastinstituten zu diskutieren und nachhaltige Kontakte zu knüpfen, die in geplanten Projekten münden werden.
Unterstützung der Partnerinstitutionen
Die Unterstützung der Partnerinstitutionen war entscheidend, da „Gast“-forschende nicht selbstverständlich die gleichen Ressourcen und Zugangsrechte wie reguläre Mitarbeitende erhalten. Ein voll ausgestatteter Arbeitsplatz, Einbindung in Institutsanlässe, eine persönliche digitale Identität mit E-Mail-Account zur Kommunikation und Zugang zu universitärer Infrastruktur, wie Intranet, Forschungsdatenbanken und (leistbarer) Kinderbetreuung, die mit der speziellen Arbeitssituation – in meinem Fall häufiges Pendeln zwischen mehreren Universitätsstandorten in drei Ländern – vereinbar ist, hat es mir ermöglicht, mich in das Forschungsumfeld vor Ort zu integrieren und meine Arbeit zu verfolgen.
Persönliche Einblicke und Erlebnisse
Meine Aufenthalte waren beruflich wie persönlich prägend. Die Alpenlandschaft rund um Zürich und die entspannte Atmosphäre in Freiburg boten neben neuen Eindrücken auch viel Lebensqualität. Ich bin den Nachbarregionen Österreichs nähergekommen und habe viel über die unterschiedlichen akademischen Gepflogenheiten im deutschsprachigen Raum gelernt. Speziell der Standort Schweiz bringt für Gastforschende auch einige Herausforderungen mit sich, insbesondere durch hohe Lebenshaltungskosten – die Armutsgrenze für eine Einzelperson bezifferte das Bundesamt für Statistik 2022 mit CHF 2.284,- (ca. EUR 2.300,-) im Monat – und strikte Anforderungen an Mietverträge (Stichwort: Charakterprofil), die oft mit langen Kündigungsfristen (1 Jahr) und zusätzlichen Ausgaben, z.B. für obligatorische Namensbeschriftungen, einhergehen. Bezüglich der geltenden Krankenversicherungspflicht gibt es für Personen, die zu Forschungszwecken aufhältig sind, die Option sich befreien zu lassen. Dank der Unterstützung der KollegInnen vor Ort konnten Hürden, wie die Wohnungssuche, durch Empfehlungsschreiben und persönliche Fürsprache bei der Hausverwaltung erleichtert werden, und ich mich auf meine Arbeit konzentrieren.
Zukunftspläne
Die Forschungsaufenthalte haben meine Erwartungen in Bezug auf Betreuung, fachlichen Austausch und Vernetzung weit übertroffen. Das Marietta Blau-Stipendium hat mir wertvolle Auslandserfahrung ermöglicht und Türen für künftige Kooperationen geöffnet. So kann ich meine Forschungsaufenthalte in Zürich und Freiburg fortsetzen und profitiere von den institutionellen Möglichkeiten. Diese Erfahrungen haben auch auf unser Familienleben großen Einfluss ausgeübt und zur Überlegung geführt, längerfristig in der Schweiz zu bleiben. Gleichzeitig haben mir die durch das Stipendium gewonnenen Erfahrungen verdeutlicht, dass die Rahmenbedingungen – nicht nur, aber auch besonders für NachwuchswissenschafterInnen mit Betreuungspflichten – familiäre und institutionelle Unterstützung voraussetzen. Besonders positiv empfand ich hierbei die Feedbackschleifen des OeAD, die es ermöglichen, sowohl positive Erfahrungen als auch praktische Herausforderungen aus dem Stipendienalltag zu kommunizieren, da diese oft über die anfänglichen Erwartungen und vorgegebenen Kriterien hinausgehen.
Lebenslauf:
Dominique Bauer absolvierte im Studienjahr 2021/22 mithilfe des Marietta Blau-Stipendiums Forschungsaufenthalte in der Schweiz und in Deutschland. Sie ist Mitglied der Vienna Doctoral School of Social Sciences an der Universität Wien sowie Gastforschende am Asien-Orient-Institut an der Universität Zürich und am Orientalischen Seminar an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Seit 2023 ist sie Mitherausgeberin des Yearbook of Muslims in Europe. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen Geschlechterverhältnisse in der Wissenschaft sowie Migrations- und Identitätspolitiken in Europa.
Neueste Publikationen:
- (mit Daniela Paredes Grijalva): When good intentions aren’t enough: Intersectional invisibilities in academia and the decolonial turn. GENDER– Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 16/3: 15 Jahre GENDER - Eine Standorterkundung (Oktober 2024), S. 216-229. Budrich Journals. https://doi.org/10.3224/gender.v16i3.15
- (mit Astrid Mattes): Austria (Vol. 15). In: Alibašić, A., Akgönül, S., Müssig, S., Nielsen, J. & Račius, E. (Hgg.), Yearbook of Muslims in Europe, Leiden: Brill, S. 41-63. (März 2024), https://doi.org/10.1163/2588-9737_YMEO_COM_152022AUT