Magdalena Boch - Eine Expertin für Hundegehirne in Oxford

21. Oktober 2022 ScholarsAlumniForscher/innen
Dr. Magdalena Boch forschte im Studienjahr 2021/22 mit einem Marietta Blau Stipendium am Cognitive Neuroecology Lab der Universität Oxford, um evolutionär bedingte Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede in Menschen- und Hundegehirnen zu erforschen.
  • Erzählen Sie uns kurz von Ihrer Motivation, sich für ein Marietta Blau Stipendium zu bewerben. Warum haben Sie gerade dieses Thema und diese Institution gewählt? Warum Großbritannien?

Im Rahmen meiner Forschung beschäftige ich mich mit der Evolution des menschlichen Gehirns und des Hundegehirns mit dem Schwerpunkt auf der neuralen Verarbeitung von Informationen, die grundlegend für soziale Interaktionen und den Aufbau sozialer Beziehungen sind.  Zu diesem Zweck habe ich funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) Studien an eigens trainierten Haushunden und Menschen durchgeführt. Im Zuge dieser Studien haben mein Team und ich Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede in der neuralen Informationsverarbeitung von Gesichtern und Körpern, sowie Handlungen anderer festgestellt.  Fähigkeiten können sich aufgrund äußerer Umweltanforderungen entwickeln und werden auch durch das soziale Umfeld beeinflusst. Hunde und Menschen sind nicht nah verwandt, aber sie leben seit Jahrtausenden zusammen und sind gemeinsam durch die Evolution gegangen. Hunde wurden folglich stark durch den Menschen geprägt. Beobachtete Gemeinsamkeiten (= analoge Funktionen) wie zB. eine Gehirnregion, die auf die Wahrnehmung von Körpern anderer Individuen spezialisiert sind, deuten auf eine konvergente Evolution bei Hunden und Menschen hin. Um jedoch entschieden von analogen Gehirnregionen sprechen zu können, muss geprüft werden, ob die Gehirnareale nicht nur analoge Funktionen aufweisen, sondern auch ähnlich in den Gehirnen von Hunden und Menschen eingebettet sind.  

Assoz.-Prof. Rogier Mars und seine Forschungsgruppe, das Cognitive Neuroecology Lab an der Universität Oxford (Großbritannien), haben in den letzten Jahren neue Forschungsmethoden und -software entwickelt, die es uns nun ermöglichen, dieser Frage nachzugehen.  Aufgrund seiner weltweit führenden Expertise auf dem Gebiet der vergleichenden Neurowissenschaften fiel die Entscheidung für einen Forschungsaufenthalt an der Universität Oxford leicht.

  • Beschreiben Sie kurz das Hauptziel und die Ergebnisse Ihres Semesters in Oxford und Ihr Projekt :

Im Rahmen meiner Forschung habe ich Gehirnregionen bei Menschen und Hunden lokalisiert, die ähnliche Funktionen in der Verarbeitung von sozialen Stimuli (z.B. Körper, Gesichter, Handlungen) aufweisen. Ziel des Forschungsaufenthaltes war es zu untersuchen, ob diese Gehirnregionen ähnlich in den Gehirnen von Hunden und Menschen eingebettet sind. Nur, wenn sich das als wahr erweist, können wir argumentieren, dass soziales Verhalten in beiden Gehirnen auf ähnliche Weise zustande kommt.

Jede Gehirnregion kann auf Basis ihrer einzigartigen Verbindungen zu anderen Gehirnregionen beschrieben werden (= „Konnektivitäts-Fingerabdruck“). Eigens entwickelte Forschungsmethoden und -software von Ass.-Prof. Rogier Mars und seinem Team ermöglichen es uns nun, diese „Konnektivitäts-Fingerabdrücke“ zwischen verschiedenen Tieren und/oder Menschen zu vergleichen. Wir sind derzeit in der finalen Phase der Auswertung unserer Daten und schon bald kann ich erste Ergebnisse präsentieren.

Mein Forschungsaufenthalt in Oxford wird einen entscheidenden Beitrag für die Interpretation meiner Forschungsergebnisse darstellen und neue Erkenntnisse für das Forschungsfeld der vergleichenden sozialen Neurowissenschaften liefern.

  • Welche Erfahrungen waren für Sie besonders wichtig? 

Der Fokus meiner Forschungsgruppe in Oxford liegt auf Vergleichen zwischen Primaten, Nagetieren und Menschen. Der regelmäßige Austausch mit meinen Kolleg*innen hat mein inhaltliches Wissen enorm erweitert und mich zu vielen neuen Forschungsideen inspiriert. Zudem konnten wir zahlreiche Parallelen in unseren Forschungen feststellen und ich habe neues Wissen als Expertin für Hunde(gehirne) in die Gruppe eingebracht. Bildgebende Verfahren und ihre Analysesoftwares sind hauptsächlich für Humandaten konzipiert, daher haben meine Kolleginnen und Kollegen und ich oft ähnliche Schwierigkeiten beim Adaptieren der Methoden. In unserer Forschungsgruppe herrschte daher reger Austausch und wir unterstützen uns gegenseitig, das hat meinen Arbeitsfortschritt enorm gesteigert. Darüber hinaus hatte ich die seltene Möglichkeit, einen Einblick in die Neuroanatomie der Gehirne vieler verschiedener Tiere zu erlangen und wir haben gemeinsam Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Gehirnen erarbeitet und mögliche Gründe dafür diskutiert, wie z.B. verschiedene Lebensweisen oder Umweltumstände.

  • Wie hat Ihr Studium in Großbritannien Ihr Leben verändert oder beeinflusst?

Dank des Marietta Blau Stipendiums hatte ich die Gelegenheit an einer der renommiertesten Universitäten der Welt zu arbeiten und mich mit weltweit führenden Expert*innen im Feld der vergleichenden Neurowissenschaften auszutauschen. Durch meinen Studienaufenthalt in Großbritannien konnte ich wertvolle Erfahrungen sammeln, die meine Forschung enorm bereichern. In dieser Zeit wurde für mich auch mein weiterer Forschungsweg klar und welchen Forschungsfragen ich nach meinem Doktorat nachgehen möchte. Zudem wurde mir angeboten als Postdoc (engl. postdoctoral researcher) nach Oxford zurückzukehren, um weitere spannende und vielversprechende Forschungsprojekte durchzuführen.

  • Welche Art von Netzwerken oder Kooperationen konnten Sie zwischen Ihrer Heimathochschule und der Gasthochschule aufbauen?

Ich bin seit meiner Rückkehr nach Wien in regelmäßigem Austausch mit Assoz.-Prof. Rogier Mars und weiterhin Teil seiner Forschungsgruppe, die an der Universität Oxford sowie am Donders Institute in Nijmegen (Niederlande) forscht und wir möchten den engen Austausch und Kooperation mit meiner Heimathochschule, der Universität Wien, auch in Zukunft weiterführen.

  • Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Mein Ziel ist es nach Oxford zurückzukehren und meine Forschung mit Assoz.-Prof. Rogier Mars und seiner Forschungsgruppe fortzusetzen. Wir haben bereits ein mehrjähriges Forschungsprojekt entwickelt und bewerben uns demnächst für Forschungsgelder, um gemeinsam die Evolution des sozialen Gehirns von Hunden und Menschen und deren Vorfahrinnen und Vorfahren zu erforschen. 

 

Kurzer narrativer Lebenslauf

Nach ihrer Matura in Vorarlberg hat Magdalena Boch Psychologie an der Universität Wien studiert (Bachelor und Master of Science). Aufgrund ihrer großen Faszination für die vergleichende neurowissenschaftliche Forschung hat sie sich schließlich 2017 für ein interdisziplinäres Doktorat im Rahmen des Doktoratskollegs „Cognition and Communication“ entschieden. Unter Supervision von Prof. Claus Lamm (Universität Wien), Prof. Ludwig Huber (Veterinärmedizinische Universität Wien) und Ass.-Prof. Isabella Wagner (Universität Wien) erforschte sie die neuronalen Grundlagen und Evolution sozialer Kognition bei Hunden und Menschen und schloss ihr Studium im September 2022 mit Auszeichnung ab. Derzeit arbeitet Magdalena Boch als Postdoc an der Universität Wien mit Prof. Claus Lamm in Kooperation mit Ass.-Prof. Friederike Range (Wolf Science Center Ernstbrunn) und beschäftigt sich mit der Frage, wie Menschen Hunde und Wölfe wahrnehmen.

 

Links:

Website von Magdalena Boch: https://magdalenaboch.com/  

Vortrag im Rahmen von Pint of Science auf Youtube (deutsch):  https://www.youtube.com/watch?v=CHwqsHzSwD8&t=269s&ab_channel=PintofScienceAustria