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Zwei Schüler halten ein Plakat
© Isabella Sandner Zwei Schüler halten ein Plakat

Mit Klassenräten und Parlamenten für Schüler/innen zu mehr Demokratielernen an Schulen

Das Sparkling-Science-Projekt „Transform4School“ arbeitet mit Schüler/innen nach ihrem Prinzip „Lernen als Erfahrung“, um Demokratie nachhaltig erlebbar zu machen. Im Interview erzählt der Projektleiter Hans Karl Peterlini (Universität Klagenfurt) u.a. von der Motivation hinter dem Citizen-Science-Projekt, was Demokratielernen bewirken kann und wie sich Schüler/innen im Projekt beteiligen.

Welche Motivation steckt hinter dem Projekt „Transform4School“? Und was bedeutet „Lernen als Erfahrung“?

Die Schule hat ein gewaltiges Potenzial, um junge Menschen für Fragen des Lebens zu interessieren, für die Suche nach Lösungen für die Probleme unserer Zeit zu begeistern, schlicht Neugier und Gestaltungslust zu wecken. Leider wissen wir alle, wie schnell dies sowohl für Lehrkräfte als auch für die Schüler/innen unter dem Druck von Notengebung, Stoffbewältigung und vielfach auch starren hierarchischen Strukturen erstickt werden kann. Dann gilt das Lehren und Lernen nur noch dem nächsten Test, und die Bemühungen vieler leidenschaftlicher Lehrkräfte münden in bürokratischem Dokumentationszwang.

Die Idee hinter dem Projekt ist, Lernen neu zu verstehen, eben als Erfahrung. Das heißt, dass auf möglichst vielen Ebenen alle Beteiligten am Schulleben in partizipative Prozesse eingebunden werden.

Zitat
© OeAD

Blickt man in Europa umher, scheint es, als würde die Demokratie teilweise auf wackligen Beinen stehen. Inwieweit kann Demokratielernen in der Schule hier etwas bewirken?

Die Demokratie ist eine großartige Errungenschaft, aber man „hat“ sie nicht ein für alle Mal, sondern muss sich ständig um sie bemühen. Demokratie wächst an offenen Aushandlungsprozessen, und sie leidet, wenn diese blockiert sind. Viele Menschen haben schlicht nicht mehr das Gefühl, dass sie Einfluss auf demokratische Prozesse haben, zu sehr scheinen diese von eingespielten Verfahren auf den Ebenen von Parteien, Bürokratien, Medien und Machtlobbys vereinnahmt zu sein. Mit unserem Projekt versuchen wir in den Schulen, Demokratie wieder erfahrbar zu machen. Wir hoffen, dass dies Mut macht, sich später auch in einer wachen und demokratiebejahenden Zivilgesellschaft einzusetzen.

Von Klassenräten bis Parlamenten für Schüler/innen – wie sieht die Mitarbeit der Jugendlichen im Projekt genau aus?

Die wichtigsten zwei Stichworte haben Sie schon genannt. Die Klassenräte sind eine basisdemokratische Einrichtung – hier reflektieren und diskutieren Schüler/innen möglichst hierarchiefrei, was für die Klassengemeinschaft und die Einzelnen gerade ansteht. Das können Probleme und Konflikte sein, oder Anliegen, die gegenüber Lehrkräften, der Schulleitung, der Nachbarschaft vertreten werden sollen. Hier profitieren auch die Klassenvorstände, da sie die Möglichkeit haben, die Schüler/innen aktiv in Entscheidungsprozesse miteinzubeziehen, wie etwa in die Planung einer Klassenfahrt.

Das Parlament für Schüler/innen spiegelt die repräsentative Demokratie wider. Es besteht aus den gewählten Klassensprecher/innen, trifft sich regelmäßig, bespricht Anliegen, entwirft Pläne. Ein Prinzip der Partizipation dabei ist, dass nicht einfach eine Forderung gestellt oder Protest erhoben wird, sondern auch Wege gesucht werden, mit den jeweiligen Verantwortlichen Lösungen und Umsetzungen zu besprechen. Auch das Lernen von Regeln, Grenzen und Strategien sowie der Umgang mit Mehrheitsentscheidungen gehören zum Demokratielernen. Selbstverständlich wären wir auch offen, wenn neben diesen vom Projekt vorgesehenen Instrumenten zusätzliche Initiativen entstehen würden, etwa eine freie Gruppe, die sich außerhalb der vorgesehenen Gremien organisiert und für ihre Anliegen eintritt – wie im richtigen Leben.

Schülerinnen und Schüler sitzen im Kreis
© Anita Esterl

Wie nehmen Sie die Einstellung der Jugendlichen zu Demokratie wahr? Wollen sie mitgestalten oder muss der Wert von demokratischer Teilhabe erst vermittelt werden?

Das ist sehr unterschiedlich und hängt auch stark von Vorerfahrungen ab. Oft glauben Schüler/innen nur die oder der vermeintlich Coolste kann die Klasse vertreten. Deshalb legen wir im Projekt auch Wert darauf, dass die Schüler/innen zunächst auch selbst erarbeiten, welche Motivation und Eigenschaften es braucht, um die Klasse oder die Schule zu vertreten. Nach diesen Workshops und vor allem nach den ersten Erfahrungen sind wir oft selbst überrascht, wie aktiv und kreativ die Kinder und Jugendlichen sein können. Da sprühen Ideen, da greift Selbstwirksamkeit, es wächst so etwas wie Mündigkeit und sozialer Verantwortungssinn. Zugleich zeigt sich auch, dass nicht alle Verantwortung übernehmen wollen oder können und sich in repräsentativen Funktionen wohlfühlen. Auch etwas nicht zu können oder zu wollen, ist eine wichtige Lernerfahrung.

Tafel mit zwei Plakaten
© Isabella Sandner

Im Projekt arbeiten Sie eng mit einer Pädagogischen Hochschule zusammen. Wie werden die Projektergebnisse in die Lehrkräftebildung integriert?

Das ist uns ganz besonders wichtig und ist, glaube ich, auch den Pädagogischen Hochschulen sehr wichtig. Wir erleben die Kolleg/innen der Pädagogischen Hochschule Kärnten als äußerst motiviert und interessiert, es hat sich da eine schöne Zusammenarbeit entwickelt. Es bräuchte aber in den Curricula der PHs viel mehr Raum für solche Inhalte, derzeit sind diese vielfach auf die bildungswissenschaftlichen Grundlagen beschränkt, die einen minimalen Teil der Lehrkräftebildung ausmachen. Darüber hinaus aber müsste die Einsicht, dass Lehren und Lernen keine kausalen und steuerbaren Vorgänge sind, die dominierenden didaktischen Ansätze durchdringen. Lernprozesse bedürfen des Erprobens und Erfahrens, mit der Möglichkeit auch eines gewinnbringenden Scheiterns, aus dem oft mehr gelernt wird als aus einem bestandenen Test. Das vorherrschende Paradigma des exakten Messens und Bewertens steht einem solchen Lernen aus und als Erfahrung vielfach im Wege.

Zitat
© OeAD

2050 – eine Zukunftsvision: Wie soll Demokratie an Schulen in Österreich gelebt werden?

Die Minimalvision wäre, dass alle Schulen selbstbewusste Klassenräte und Schüler/innen-Parlamente haben. Wenn ich sehe, wie wir ständig Anfragen von Schulen bekommen, ob wir sie nicht auch noch in unser Projekt einbinden können, scheint mir das sogar realistisch. Aus diesem Grund möchten wir für ein nachhaltiges Weiterwirken des Projektes eine Art Plattform für interessierte Schulen einrichten, über die unsere Expertise, die wir aus dem Projekt gewinnen, zur Verfügung gestellt werden kann.

Die weiter reichende Vision ist, dass Lehren und Lernen von Grund auf als partizipativ verstanden werden, und zwar ziemlich radikal beginnend bei der Frage, was wollen wir denn überhaupt wann und wie lernen. Das klingt vielleicht anarchisch, aber es orientiert sich daran, dass ein vorab festgelegter Wissensstoff, den ich ungeachtet meiner vielleicht gerade ganz anders gelagerten Interessen für einen Test durchpauken muss, um dann mit einem Zahlensystem gemessen zu werden, nicht wirklich zu einem nachhaltigen Lernen führt. Solches Wissen haben wir genug, und wir erleben auf dramatische Weise, wie untauglich es ist, die Probleme dieser Welt zu lösen. Kinder und Jugendliche, die sich diese Welt mit ihren Fragen, mit ihrer Neugier, mit ihrer Handlungskompetenz partizipativ erschließen dürfen, versprechen eher mündige, verantwortungsbewusste Bürger/innen zu werden.

Danke für das Interview!


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