"Geschlossene" Anstalt?
Die Heil- und Pflegeanstalt Mauer-Öhling (Niederösterreich) in der NS-Zeit und im kollektiven Gedächtnis
Ausgehend von der NS-Kategorie „lebensunwert“ setzten sich rund 50 Schülerinnen und Schüler der ersten Klassen (17-jährige) des ALW der Fachschule Amstetten (NÖ) mit dem Konstrukt von „Behinderung“ auseinander. Entsprechend ihrem schulischen Schwerpunkt „Gesundheit und Soziales“ beschäftigten sie sich auch mit dem Berufs- und Menschenbild in der Pflege zur NS-Zeit. Nur etwa 10 Kilometer von ihrer Schule entfernt, in Mauer-Öhling, liegt das heutige Landesklinikum Mauer. 1902 als „Kaiser-Franz-Joseph-Landes-Heil- und Pflegeanstalt“ gegründet, war es mit seinen rund 2000 Betten die drittgrößte Klinik Österreichs, die im Rahmen der NS-„Euthanasie“ Patientinnen und Patienten in Tötungsanstalten deportierte oder intern ermordete.
Über diese Verbrechen wurde noch wenig geforscht und kaum öffentlich diskutiert. Zwar war Mauer-Öhling eine „geschlossene“ Anstalt, doch ist von Kontakten zwischen Insassen, medizinischem Personal sowie dem angeschlossenen Wirtschaftshof und der Bevölkerung der Umgebung auszugehen. Dr. Philipp Mettauer fragte daher im ersten Teilprojekt nach dem Informationsfluss nach außen: Auf welche Weise und durch welche Akteure konnten welche Informationen aus der Anstalt gelangen. Die Inhalte und Spuren oder auch das Fehlen oder Verleugnen dieser Informationen erhoben im zweiten Teilprojekt gemeinsam mit Dr. Wolfgang Gasser die am Projekt beteiligten Schülerinnen und Schüler. Sie recherchierten in Regionalmedien und führten, angeleitet und begleitet durch das Projektteam, Interviews mit ausgewählten Personen – Anstaltspersonal, Angehörigen von Opfern – sowie Straßenumfragen durch.
Ziel des Projekts war nicht nur, Kenntnisse über den Wissensstand zu den Vorgängen in der Klinik während der NS-Zeit zu erlangen, sondern auch dessen heutige Präsenz im kollektiven Gedächtnis der Region Amstetten festzustellen. Die Forschungen der Schülerinnen und Schüler vergrößerten dieses Wissen und vermittelten dieses in einem Film einer breiten Öffentlichkeit. Die Projektarbeit führte darüber hinaus zu einem Mahnmal für die Opfer von Mauer-Öhling, an dessen Vorbereitung interessierte Schüler/innen auf freiwilliger Basis mitwirken konnten.
Dieses Projekt hatte ein Top Citizen Science-Erweiterungsprojekt.
Das Projekt „Namen, Gräber und Gedächtnis. Die “Heil- und Pflegeanstalt” Mauer-Öhling in der NS-Zeit“ setzte sich zum Ziel, mit Hilfe von Citizen Scientists den erweiterten Anstaltsfriedhof und damit die dort Begrabenen ins öffentliche Bewusstsein zu holen. Durch biographische Forschung und Interviews mit Angehörigen von Opfern und dem damaligen medizinischen Personal wurden die Lebensgeschichten der vergessenen Opfer rekonstruiert.
Dieses Projekt ist bereits abgeschlossen.
Projektwebsites
Projektbericht
-
Projektrückblick2019-11-22 (PDF, 1 MB)
-
Projektbeschreibung ("Geschlossene" Anstalt)2017-10-20 (PDF, 928 KB)
Pressespiegel
-
Bürger erforschen den Anstaltsfriedhof des LKH Mauer2019-09-16, tips.at
-
Auftakt in Amstetten - Schüler beleuchten die Schrecken der NS-Zeit2017-09-21, noen.at
-
2018-09-26, Tips Amstetten Linz, am 26.09.2018, Nr: 39
-
2019-02-01, amstetten.noe.gv.at | Seite 23
-
2018-09-26, Bezirksblätter Waidhofen/Ybbstal und Amstetten, am 26.09.2018
-
Die Heil- und Pflegeanstalt Mauer-Öhling in der NS-Zeit. Aktuelle Forschungsergebnisse2018-09-18, meinbezirk.at
-
2017-09-12, NÖN Amstettner, Unabhängige Wochenzeitung für Niederösterreich, St. Pölten
-
2017-07-01, Am Puls (Stadtgemeinde Amstetten) | Nachrichten der Stadtgemeinde Amstetten im Juli 2017
-
Wie aus Erinnerungen Geschichtsschreibung wird2020-06-03, derstandard.at
Publikation
-
METTAUER, P. (2017): Die „Heil- und Pflegeanstalt“ Mauer-Öhling in der NS-Zeit. Ein Werkstattbericht.In: Pflege professionell. Das Open Source Fachmagazin für den Gesundheitsbereich, Frühling 2017, S. 21-26.
-
In: Die Utopie des „gesunden Volkskörpers“ – von der „Erb- und Rassenhygiene“ zur NS-Euthanasie, hrsg. vom Institut für jüdische Geschichte Österreichs (Juden in Mitteleuropa) Ausgabe 2019, S. 32-40.
-
In: Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim (Hg.), Krieg und Psychiatrie. Lebensbedingungen und Sterblichkeit in österreichischen Heil- und Pflegeanstalten im Ersten und Zweiten Weltkrieg, 31 S.
-
In: BARDGETT, S./STONE, D./SCHMIDT, C. (ed.): Beyond Camps and forced labour: current international research of Nazi persecution, Palgrave Macmillan, London, 15 p.
-
In: Erinnerungskulturen, historisch-politische Bildung. Themendossiers zur Didaktik von Geschichte, Sozialkunde und Politischer Bildung, No. 9. 2018, S. 28-31.
-
In: Institut für jüdische Geschichte Österreichs (Hg), Die Utopie des „gesunden Volkskörpers“. Von der „Erb- und Rassenhygiene“ zur NS-Euthanasie, St. Pölten 2019, S. 2-11.
-
METTAUER, P. (2019): Die kontaminierte Jugendstilperle. Die „Heil- und Pflegeanstalt“ Mauer-Öhling im Nationalsozialismus.In: MfG. Das Magazin. St. Pöltens gute Seite, Ausgabe 09/2019, S. 30-34.
-
In: Erinnerungskulturen, historisch-politische Bildung. Themendossiers zur Didaktik von Geschichte, Sozialkunde und Politischer Bildung, No. 9. 2018, S. 66, 86-92.