60 Jahre OeAD: „I shall not give up”.

29. Jänner 2021 OeAD60Alumni
Die APPEAR-Wissenschaftlerin Esther Mukooza aus Uganda vor einem Geländewagen.
Die Geschichte einer Doktorandin in Österreich und ihr Leben danach. Die APPEAR-Wissenschaftlerin Esther Mukooza aus Uganda erzählt von ihrem beruflichen Werdegang nach ihrem Studium in Österreich und erklärt, warum man niemals aufgeben sollte.

Internationale Projekte und Stipendienprogramme zu betreuen gehört seit Jahren zu den Kernaufgaben des OeAD. So ist der OeAD auch für das wertvolle Hochschulkooperationsprogramm APPEAR (Austrian Partnership Programme in Higher Education and Research for Development) verantwortlich. APPEAR fördert seit 2010 Kooperationen zwischen österreichischen Hochschulen und Hochschulen in den Schwerpunktländern und -regionen der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit. Das Projekt wird aus Mitteln der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit finanziert.

Esther Mukoozas Geschichte:
Die APPEAR-Wissenschaftlerin Esther Mukooza aus Uganda promovierte in Anthropologie an der Universität Wien und arbeitet derzeit bei „Ärzte ohne Grenzen“ im Königreich Eswatini im südlichen Afrika. Hier erzählt sie von ihrem beruflichen Werdegang nach ihrem Studium in Österreich und erklärt, warum man niemals aufgeben sollte:

„Meine Forschungsinteressen betreffen eine Vielzahl sozialer Themen. Ursprünglich war ich Gymnasiallehrerin für Biologie und Chemie und erhielt zunächst einen Bachelor-Abschluss und danach einen Master-Abschluss in Sozialwissenschaften von der Makerere-Universität in Kampala, Uganda.

Einige Jahre lang unterrichtete ich am Institut für Sozialwissenschaften der St. Lawrence University in Kampala, bevor ich in den Energiesektor wechselte, wo ich in der Uganda National Renewable Energy Agency (UNREA) arbeitete, um die Einführung und Nutzung erneuerbarer Energien zu fördern.

Dann wurde ich im Rahmen des APPEAR-Projekts MA-MEDANIH für ein Stipendium für ein Doktorat in Österreich nominiert. Dieses Projekt initiierte das erste Master-Studium in medizinischer Anthropologie und Internationaler Gesundheit im südlichen Afrika, an der Gulu University in Uganda. Seitdem wurden eine Reihe von medizinischen Anthropologinnen und Anthropologen ausgebildet, die derzeit in verschiedenen Funktionen in Uganda und darüber hinaus tätig sind. Dieses Projekt hat auch zu einer verstärkten Beteiligung von lokalen Gemeinschaften an den Forschungsaktivitäten selbst geführt.

2014 ging ich nach Wien, um in Anthropologie zu promovieren. Da ich gerade Mutter geworden war, war es nicht leicht, meine Aufgaben als alleinerziehende Mutter und gleichzeitig als Studentin zu vereinbaren. Nichtsdestotrotz war es ein Privileg in dieser Zeit auch als Dozentin für MA-MEDANIH-Studierende an der Universität Gulu tätig zu sein sowie Vorträge für Studierende der Medizin und Anthropologie in Wien und Medizinanthropologie-Studierende der Webster University zu halten.

2019 konnte ich meine Dissertation zum Thema „Local perceptions of nodding syndrome (NS) in northern Uganda and their implications for interventions“, betreut von Mag. Dr. Ruth Kutalek von der Medizinischen Uni Wien, erfolgreich abschließen.

Das „Nodding Syndrom“ ist eine neurologische Erkrankung, die bisher nicht gut erforscht ist. Opfer sind häufig Kinder im Alter zwischen 5-15 Jahren, die unter wiederkehrendem Kopfnicken leiden, denen häufig Anfälle als Hauptsymptome folgen. Das Fortschreiten der Krankheit führt schließlich zum Tod. Diese Krankheit wurde in den afrikanischen Regionen südlich der Sahara in Norduganda, Südtansania und dem Südsudan beobachtet.

Im Zuge meiner Forschung verbrachte ich elf Monate für ethnographische Feldforschung an mehreren Orten in Norduganda. Meine Studienergebnisse zeigen, dass die Erklärungsmodelle, die lokale betroffene Gemeinden über die Krankheitsursache haben, von Zeit (Bürgerkriegsperiode) und Raum (Binnenvertriebene) abhängig sind und durch extremen Hunger und sehr schlechte sanitäre Bedingungen geprägt sind. Sie heben die gesundheitlichen Folgen des Krieges hervor, den Zusammenbruch der öffentlichen Gesundheit und der Verkehrsinfrastruktur sowie die Auswirkungen schwerer Armut auf die Gesundheit einer bereits gefährdeten Bevölkerung. Überzeugungen wie Hexerei und Geister spielen auch eine Rolle in der Meinung der Menschen über die Ursachen und die Erfahrungen dieser Krankheit und über die Gesundheitsversorgung der Opfer.

Ohne die Erzählungen und Erklärungsmodelle der Befragten verwässern zu wollen, ist es jedoch auch offensichtlich, dass die Medien und frühere Forschungsaktivitäten einen Einfluss darauf haben, wie das „Nodding Syndrom“ lokal wahrgenommen wird. Es wäre eine Untertreibung zu sagen, dass diese Reise eine Herausforderung für mich war. Schließlich hatte ich Norduganda noch nie zuvor betreten, geschweige denn die Heimat des noch flüchtigen Rebellenführers der Lord's Resistance Army (LRA), Joseph Kony. Dieser hatte in einem zwei Jahrzehnte andauernden Bürgerkrieg unfassbare Gräueltaten an der lokalen Bevölkerung verübt.

Während eines Aufenthalts in einer kleinen Handelsstadt setzte sich ein junger Mann jeden Morgen mit seinem Radio unter einen Olam-Baum und spielte lautstark ein Lied eines lokalen Künstlers namens Labert Dickson mit dem Titel „Never give up“.

Jede Person die/der ein Doktoratsstudium unternimmt, wird zustimmen, dass es einen Punkt (oder mehrere Punkte) gibt, an dem man darüber nachdenkt aufzugeben. Ich war oft an diesem Punkt aufgrund der Herausforderungen der ethnografischen Feldforschung: Hunderte von Kilometern entfernt von meinen kleinen Kindern – über Monate in ländlichen Gebieten eine Krankheit erforschend, die kaum untersucht ist und die fast täglich das Leben von Kindern forderte. Da ich dieses Lied praktisch jeden Morgen hörte, lernte ich den Text schnell auswendig. Gott sei Dank spielte sich dieser Text immer wieder in meinem Kopf ab, und gab mir Tag für Tag die Kraft meine Feldforschung fortzuführen.

Das Mantra „I will not give up“ hat mir auch während der Zeit des Schreibens der Abschlussarbeit weitergeholfen und beeinflusst mich auch jetzt noch, als Mitarbeiterin von „Ärzte ohne Grenzen“ (MSF-OCG) im Königreich Eswatini (vormals Swasiland) in Südafrika.

Laut UNAIDS (2018) lag die HIV-Prävalenz im Königreich 2018 bei Erwachsenen im Alter von 15-49 Jahren bei 27,3%. Momentan untersuchen mein Team und ich qualitativ die Machbarkeit eines akuten HIV- (AHI-) Diagnose- und Behandlungsansatzes, um die steigende Anzahl von Neuinfektionen für eine bereits überlastete Bevölkerung zu reduzieren.

Schließlich wurde ich Anfang 2020 zur Ländervertreterin der ugandischen Mitgliedsuniversitäten im österreichisch-afrikanischen Forschungsnetzwerk Africa-UniNet gewählt, um eine langfristige und stabile Basis für die Zusammenarbeit zwischen österreichischen und afrikanischen Universitäten und Forschungseinrichtungen zu schaffen.

Abschließend möchte ich erwähnen, dass die Großzügigkeit der österreichischen Regierung durch all diese Programme immens dazu beigetragen hat, dass ich zu der Person geworden bin, die ich heute bin und die ihren Beitrag zur Gesellschaft leistet, und dafür werde ich ewig dankbar sein.“

Bericht von Esther Mukooza
Übersetzung: Rainer Einzenberger, Programmkoordinator APPEAR

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